Im Juli dieses Jahres rief mich ein langjähriger Freund aus der Weinbranche an, um zu fragen: “Paula, hast du Lust mit mir, meiner Frau und ein paar Freunden 82er Bordeaux zu trinken?” – “Trinken?” – “Ja, ich meine trinken, nicht nur probieren. Wozu wird Wein, noch dazu so große Jahrgänge denn gemacht? Nur zum Probieren, Ausspucken und um dann zu kritisieren, welcher besser war oder ob die 100 Parker Punkte gerecht waren, sicher nicht. Zum Spekulieren, um ihn der Gewinne wegen über Ozeane zu schippern auch nicht! Also lass uns von den Besten, die jetzt knapp 30 Jahre im Keller liegen, ein paar öffnen, wir kochen was Gutes dazu und dann werden wir ja sehen!”
Mit großer Freude und voller Neugier nahm ich die Einladung an.
Nach dem Begrüßungschampagner und dem Weißwein auf der Terrasse konnte es losgehen.
Die Einstimmung Château Gloria, wurde von Parker als “Favorit der Kleinen” gehandelt. La Fleur Petrus, L’Evangile, Lynch Bages, Pichon Lalande Comtess, Margaux, Latour folgten und zu guter Letzt war ein Leoville Las Cases an der Reihe.
Vorab: Gut waren sie alle und jeder von uns 8 hatte seinen Favoriten, aber als Sieger ging klar Château Latour ins Ziel. Diese Goldmedaille holt er sich wohl auch noch in zwanzig Jahren.
Fazit: Es hat sich wieder bestätigt, dass in 1982 ganz grosse Weine gemacht wurden. Kleine Weingüter brachten Überraschungen hervor, die großen Weine sind Monumente ihrer Zeit.
Hätte man damals schon das Wissen, die Hygiene und Technik von heute gehabt, viele Weine wären vielleicht noch einen Ticken besser oder größer geworden. Bei Château Latour gibt es nichts zu verbessern – hier bringt die Zeit nur noch ein Schlückchen mehr Glückseligkeit.
Zum Start: 1990 Champagne Nicholas Francois Billecart,
aus der Magnum von Billecart-Salmon, machte mal wieder eindeutig klar, warum Champagner von so vielen Menschen geschätzt wird. Nicht nur weil seine Perlen Frauen den Kopf verdrehen, sondern, weil er einzigartig riechen und schmecken kann.
Das kräftige Strohgelb ließ schon ein bestimmtes Reifepotential erahnen. Die Duftnoten spannten einen weiten Bogen von getrockneten Ananas, Mandarinenschalen, Honig, gerösteten Nüssen bis zu gereiften Zwetschgen.
Die Perlage war sanft – klein und fein rollte sie durch den Mund. Die Säure immer noch frisch im Körper des gereiften Ganzen. Großer Genuss auch mit dem exzellenten Jamon Iberico puro Belota „Baron de Ley“.
1979 Château d’Yquem, „Y“ Ygrec
Danach ein “Unglückskind”, weiß, aus Bordeaux, 1979 „Y“ von Château d’Yquem
Ygrec, ein einfacher Bordeaux Superior aus Sauternes, aber nicht von schlechten Eltern. Wird nur in Jahren produziert, in denen die Beeren nicht vom Edelschimmel „Botrytis Cinera“ befallen wurden und somit auch kein Château d’Yquem produziert werden konnte. Ein teils sehr langlebiger, trockener Wein mit ganz besonderer Charakteristik. Goldgelbe Farbe, im opulenten Duft Feigen, Apfel, Stachelbeeren, Bienenwaben, Nußschalen, Butterkuchen, geröstete Mandeln. Aber auch Klebertöne, wie Uhu oder Aceton waren vorhanden. Faszinierend, anziehend und befremdend zugleich. Schmeckt der Wein nicht süß? Nein, der Wein ist völlig trocken. Ölig, dicht, cremig mit reichlich Alkohol, völlig anders als das was gemeinhin als reifer Weißweincharakter erwartet wird. 1979 war kein sehr guter Jahrgang, auch nicht für die roten in Bordeaux. Dafür war dieser Unglücksrabe aber ein Erlebnis für sich!
1982 Château Gloria, St. Julien
Wenn ein Wein seinen Höhepunkt überschritten hat, kann er immer noch lange ein Genuss sein und nicht – wie viele denken – sofort untrinkbar oder gar verdorben. Der Wein verliert vielleicht langsam an Kraft, seine ausgereiften Tannine verschwinden, der Duft wechselt in die oxydative Richtung und der Geschmack leidet unter Strukturverlust.
Bei diesem Gloria bedeutete das, dass der Wein noch noch nett zu trinken war. Er hatte in der Nase Noten von Pflaumenmus, Maggikraut, Tabakblättern und Lakritze. Pickende Säure. Im Mund etwas dumpf mit erdigem Charakter.
1982 La Fleur-Pétrus, Pomerol
Nein, das ist nicht der Zweitwein von Petrus, sondern ein eigenständiges Weingut, allerdings auch im Besitz der Familie Moueix.
Ich erinnere mich noch gut an den “großen Petrus” und kann im Vergleich mit diesem viel preiswerteren, kleinen La Fleur-Petrus nur staunen, wie wunderbar sich dieser entwickelt bzw. gehalten hat. Hier erkennt man gleich, dass dieser Wein von Anfang an große Klasse war.
Schwarze Trüffel, Waldboden, Tierhaut, getrocknete Pflaumen, im Gaumen – sanft aus einen Guss. Ach, hätte ich doch auch ein paar Flaschen davon im Keller.
1982 Château L’Evangile, Pomerol
L’Evangile Pomerol 1982Ein Wein, der vielversprechend in seiner Kritik war und mir von mehreren Trinkgelegenheiten bekannt – kam die Flasche doch aus meinem Keller, wo sie seit 1985 lag.
Malzig, pflaumig, erdig, Moos und Pilztöne, Schokolade, Korinthen. Die animalischen Noten blieben im Duft im Hintergrund.
Auf der Zunge gereifte Säuren, sanftes Tannin, stoffig aber keineswegs zu fett. Fein im Trinkfluss, sehr schön gereift, aber auf der Höhe, mit breitgefächertem Aromenspektrum. Ein sehr guter Schmeichler, auch ohne Essensbegleitung.
1982 Château Figeac, St. Emilion
Bordeaux 1982Es war immer wieder eine Freude, den großen alten Mann von Château Figeac, Thierry Mannoncurt, über sein Weingut, seinen Figeac und die weniger geliebten Nachbarn wie Cheval Blanc reden zu hören. Er war so von seinem Wein überzeugt, es gab für ihn keinen besseren – auch wenn der Wein in seinen ersten Jahren immer schwer zu verstehen war, so auch der 82er.
Zwanzig Jahre später war er wunderbar, inzwischen verabschiedet er sich leise. Feuchtes Laub, Pilze, Moos, leicht animalisch. Kernige Adstringenz, leicht schlehenhaft, aber immer noch mit rahmiger Note im Abgang.
Sicher kein Monster und auch nicht der größte Figeac, dennoch ein Trinkgenuss.
1982 Château Lynch-Bages, Pauillac
Der Lynch-Bages ist immer noch schön zu trinken, seine höchste Genussphase hat er aber hinter sich.
Für mich wirkte er etwas spröde, leicht widerspenstig im Gesamteindruck.
Pfefferkorn, Farn, Pferdehaut im Duft. Kleine rote Früchte, feinkörniges Tannin, schöner, angenehmer Stoff, mit feiner Faser, leicht im Druck und angemessener Länge.
1982 Château Pichon-Longueville-Comtesse-de-Lalande, Pauillac
Comtesse Pichon De Lalande 1982Von diesem Wein kann ich schon seit Jahren nicht genug bekommen. Von keinem anderen Bordeaux habe ich so viele Kisten (12) gekauft. Immer wieder freut es mich, eine Flasche von denen zu öffnen, die noch da sind – und das wird auch in den nächsten Jahren so bleiben.
Der Wein ist reif, ja, aber gerade jetzt begeisternd schön. Der opulente, wilde, leicht animalische und vielschichtige Duft macht Freude. Auch der Duft von Trüffelpralinen, Kaffee, Tannenholz, Geranien und der leicht strenge Cabernettouch. Wildfleisch, süßliches Tannin mit feinem Fluss. Sehr schöne Länge und wunderbar balanciert. Mit Geflügel und dezenten Käsesorten, ein Hochgewächs!
1982 Château Margaux, Margaux
Chateau Margaux 1982Bei Château Margaux war ich mir in meiner Sommeliérzeit schon ziemlich sicher, welchen der beiden großen Jahrgänge ich bevorzuge, 83er oder 82er. Sie sind nämlich beide super gut und ich meine, dass hier der Unterschied eher eine Stilfrage ist als eine der Qualität.
Die schreibenden Kollegen sehen das ganz anders, denn der 83er ist mit seiner Kraft und satten Adstringenz sehr beeindruckend und nicht unbedingt der feine Margaux.
Der feine, florale, immer noch ausladende, duftige 82er strahlt auch heute noch, lebt aber sicher nicht mehr lang in diesem Glanz. Keine harten Gerbstoffe, sondern feine Tannine, gut in der Balance von Frucht und Säure, mittelgewichtig im Körper, seidig, nicht samtig.
Keiner der ganz Großen, leider. Gewiss, seine Zeit ist gekommen, aber auch noch nicht vorbei.
1982 Château Latour, Pauillac
Was für ein Monument – immer noch ein Power-Wein, der sich nur um Millimeter in seiner Entwicklung bewegt. Die Farbe noch tiefschwarz und nahezu undurchdringlich. Reicher Waldbodenduft, Trüffel, Teer, Eukalyptus und vieles mehr. Dann rote und blaue Beeren, Frucht, Tabak, Leder, Kaffee, Röstnoten.
Der Wein ist voller Kraft und Leben, so als wäre er für die Ewigkeit geschaffen. Der Mund ist prallgefüllt mit saftigem, Tannin-geladenem Wein, mit gereiften, aber noch lange nicht ausgereiftem Körper. Viele Reserven, alle in ausgewogenem Verhältnis. Das Ebenbild eines perfekten Weines, ein Kunstwerk, das auch aus der Werkstatt von Michelangelo stammen könnte.
1982 Château Léoville-Las-Cases, St. Julien
Ganz bewusst wurde LLC von mir ans Ende der Probe gesetzt. Sein dumpfer, leicht muffiger Charakter, der alle nachfolgende Weine hätte stören können, ist leider viel zu häufig nicht nur bei meinen Proben aufgetreten. Ich habe es schon erlebt, dass von der 0,75 ltr bis zur Jeroboam und Salamanazar alle Weine gut, aber nie wirklich perfekt waren.
Auch hier begleitete ein Keller- und Moderton, nahe am Kork, den vollen, facettenreichen, extrakt-geschwängerten Körper. Die erdigen, so typischen Leoville-Töne wirkten aber keineswegs aufdringlich oder fehl am Platz. Der Duft nach Edelholz, Tabak und Moschus verleiht dem Wein eine recht männliche Note.
Die süßen Tannine und der butterweiche Stoff schmeicheln dem Gaumen. Lang, lang im Finale und das mit Druck, Opulenz und viel Kraft.