Paula Boschs Wein-Kolumne in “Der Feinschmecker” : 

Die deutsche Spitzengastronomie hat ein Riesenproblem: Der Nachwuchs bleibt aus – als Gast wie als Mitarbeiter. Einen Weg aus der Misere sieht Paula Bosch in der Weinberatung.

Auch wenn die meisten Gäste es hoffentlich noch nicht gemerkt haben: Küchenchefs und Gastronomen in Deutschland stehen vor einem großen Problem. Der Nachwuchsmangel, der schon seit Jahren herrscht, wird immer dramatischer. Noch nie seit 1990, stellt das Bundesinstitut für Berufsbildung in einer aktuellen Studie fest, wurden in Hotels und Restaurants so wenig Ausbildungsverträge abgeschlossen wie heute. Gerade bei den Köchen mag das verwundern, ist deren Beruf dank den vielen Kochshows doch angesehener denn je. Fernsehköche, aber auch Spitzenköche allgemein, gelten als VIPs, die man kennt, schätzt und respektiert. Trotzdem hat etwa Hans Stefan Steinheuer, einer der besten Köche Deutschlands, für sein Restaurant „Zur Alten Post“ in Bad Neuenahr vergangenes Jahr keinen geeigneten Auszubildenden gefunden. „Alle, die zum Probearbeiten da waren, haben anschließend gesagt, sie hätten es zwar sehr interessant gefunden, sie fühlten sich der Belastung aber nicht gewachsen“, erzählt er und fügt hinzu: „Ein langer Tag in einer Restaurantküche ist nicht das, was die Momentaufnahme im Fernsehen zeigt.“ Recht hat er. Außerdem werden am Herd – genau wie auf der Bühne – nur die wenigsten zu Superstars, schon gar nicht über Nacht. Da erlebt so mancher Lehrling einen Praxis-Schock. Fast jeder Zweite bricht die Ausbildung ab für diesen Beruf, der so viel Engagement erfordert, oft bis spät in die Nacht und an den Wochenenden, bei nur selten opulenter Bezahlung.

Falsche Vorstellungen sind auch einer der Gründe für die blanke Not im Servicebereich. Hier ist es umgekehrt: Die anspruchsvolle Arbeit eines Kellners oder einer Kellnerin wird unterschätzt. Dabei ist guter Service der Schlüssel zu einem tollen Abend, nach dem die Gäste beschwingt nach Hause gehen. Junge Leute zu finden, die ein Talent dafür mitbringen, darin liegt die große Auf gabe für die Gastronomie. Anlass zur Hoffnung gibt dabei das Berufsbild des Sommeliers. Ob bei der Industrie- und Handelskammer, in Hotelfachschulen oder bei privaten Instituten – die Kurse für angehende Weinexperten sind begehrt, die dann den Gästen als Berater zur Seite stehen und einen Besuch im Restaurant zum Erlebnis werden lassen können. Mein Kollege Sebastian Bordthäuser, ebenfalls aus der „Alten Post“ in Bad Neuenahr, weist allerdings darauf hin, dass dazu auch psychologisches Gespür und Erfahrung gehören: „Mancher 21-Jährige darf sich schon Chefsommelier nennen. Er wird es dennoch schwer haben, einem Anwalt, der seit 40 Jahren Burgunder sammelt, bei diesem Thema ein Berater auf Augenhöhe zu sein.“ Das stimmt, aber es sollte niemanden davon abhalten, sich für diesen Beruf zu begeistern. Ein Hauptproblem liegt vielmehr darin, dass immer weniger junge Menschen in Spitzenrestaurants gehen. Wie aber soll jemand den Wunsch entwickeln, in einem Bereich zu arbeiten, den er nie erlebt hat? Wem es also im Restaurant an Lehrlingen fehlt, der muss erst einmal junge Gäste gewinnen. Natürlich sollte die Begeisterung fürs Essen zu Hause geweckt werden. Wer Kartoffelpüree nur aus der Tüte kennt, der interessiert sich auch nicht für gute Restaurants. Und für die Gastronomie gilt: Wer nach jungen Gästen ruft, muss sie dann auch ernst nehmen, sie als vollwertige Kunden akzeptieren. Kellner und Sommeliers müssen die Bedürfnisse der Nachwuchsgäste erkennen und erfüllen, ihnen die Möglichkeit geben, auf angenehme Weise eine neue Welt kennenzulernen. Dass junge Menschen oft keine Erfahrung mit Wein haben, ist eine Chance, denn das Thema birgt viel Potenzial für Begeisterung. Man muss sie nur wecken:

  • Junge Gäste sollten nach ihren Wünschen gefragt werden. Lenken, empfehlen: ja. Bevormunden: nein!
  • Unerfahrene Weintrinker möchten Wein auch glasweise bestellen können. Das nimmt dem Wein zugleich das Etikett „teuer“.
  • Monsterweinkarten, für deren Studium 60 Minuten nicht reichen, bauen für Neulinge eher eine Barriere auf.
  • Eine attraktive Karte sollte viele heimische, möglichst regionale Weine bieten. Beim Preis darf es gern schon bei 30 Euro pro Flasche losgehen.
  • Wenn jemand seinen Lieblingswein mitbringen will, weil der nicht auf der Karte steht, darf das kein Problem sein.
  • Es müssen alternative Getränke auf die Karte, vor allem bezahlbare alkoholfreie Drinks.
  • Weinkurse sind ein attraktives Zusatzangebot. Und natürlich freuen sich junge Gäste, wenn sie im Lokal nicht bloß die Generation ihrer Eltern antreffen. Deshalb gilt: Die besten Jugendbotschafter für ein Restaurant sind junge Köche, junge Kellner, junge Sommeliers.

Paula Bosch prägte als Deutschlands erste Sommelière von Rang 20 Jahre lang das Münchner „Tantris“. Heute ist sie Autorin.

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