
Ein Vormittag wie ich ihn nicht gerne mag. Eine Rotweinprobe mit einem Giganten aus Kalifornien war angesagt – und das früh am Morgen um 10:00 Uhr. Aber die Probe hatte auch einen ganz besonderen Reiz, denn im Restaurant Nektar sitzt man nicht, nein hier nimmt man Essen & Trinken im Liegen zu sich. Das wird ja eine sehr interessante Probe dachte ich. Wurde sie auch, aber nicht im Liegen. Vielleicht besser so. Die Arbeit alleine wäre nicht das Problem gewesen. Die Tatsache, dass ich um diese Uhrzeit einen so großen Wein wie den Ridge Montebello probieren, bewerten und wieder ausspucken sollte, gefiel mir gar nicht. Wenn ich in Bordeaux um diese Zeit längst die ersten fünf Chateau besucht und deren Fassmuster degustiert habe, ist das etwas völlig anderes. Diese Rohlinge spuckt jeder gern und schnell wieder aus. Aber einen so großen Wein wie Monte Bello von Ridge aus den letzten zwanzig Jahren, die ich nur vereinzelt immer wieder im Glas hatte, wollte ich viel lieber nachmittags ab 12 Uhr mit voller Konzentration und Fitness probieren. Zur Historie der Kellerei: 2010 wurde 50 jähriges Jubiläum gefeiert und Paul Drapper, der verantwortliche Weinmacher (einer der allerbesten weltweit), feierte im letzten Jahr seinen 40. Jahrgang Monte Bello. Mit Höhen und Tiefen, wie auch unsere Probe bestätigte. Auch in der Neuen Welt gibt es naturgemäß nicht nur gleichmäßig gute Jahrgänge. Dennoch: was Paul Drapper hier seit 40 Jahren produziert hat, zählt zur Weinelite, zum Besten was es gibt. Hochachtung vor dieser Ikone des Weines.
Probiert wurden Jahrgang 1988; 1990; 1993; 1995; 1997; 1999; 2001; 2002; 2003; 2009 (Faßprobe).
Der 1988er war in seiner sehr animalischen Art reif, ja ich möchte sagen überreif. Burgunderhafte, leichte Tannine, fremdartige Süße, Coca Cola, Leder, sehr erdig, wenig Tiefgang und Harmonie.
Die Flasche 1990 war leider nicht ganz perfekt. Neben den strengen Jod, Tierhaut und Teernoten vermutete ich einen versteckten Kork-Ton. Im Mund metallisch, eisenhaltig, kein Charmeur. In Nachhall reife Linien.
1993, zum Lunch, war bestens gereift und ausgewogen. Orientalischer Gewürzmarkt. Reife Säuren, weiche Textur, sanfter Charakter mit schönem Druck, eleganter Art.
1995 erinnert in seiner sperrigen Tannintextur an den ewig harten 1975er Vintage aus Bordeaux. Waldboden, Unterholz, Moos, reife Zwetschgen, auch Zwetschgenmus, Lakritze. Vermisse Fleisch zwischen den Knochen, insgesamt ein rauer Bursche.
1997 wunderschön gereift, gewürzig, Granatapfel, Preiselbeere, feingliedriges Tannin, sanfter Stoff, feiner Nachdruck.
1999 Wieder einer der jungen Wilden. Animalisch, Leberwurst, Zigarrenbox, Tannennadel, eine Spur grünes Holz. Sein fleischiger Charakter mit reichlichen Tanninen, sehr trockenem Abgang und festem Druck verlangt nach noch mehr Reife.
2001 Ein barocker Latour-Stil – ein ganz großer Klassewein. Mit noch sehr viel Potential fürs nächste Jahrzehnt. Dieser Tropfen hat einfach alles, was ein großer Wein braucht: Duftigkeit, Fleisch, Saft, Kraft und Balance im Gesamteindruck. Mein Favorit!
Aber auch der muskulöse 2002er wusste zu überzeugen. Viele schwarze Früchte, frisches Fleisch (Tartar) Tomaten Rosenpaprika. Süßes, reifes Tannin, schokoladige, süßliche Textur. Ein typischer Kalifornier!
Am Ende der Probe war mal wieder klar dass es auch in der neuen Welt große Jahrgangsunterschiede gibt. Jahrgänge wie 1971 und 2000 bleiben auch für Monte Bello naturgemäß Ausnahmen. Sie waren auf einer legendären Probe in Paris jeweils auf dem ersten Platz.