Im Juni und Juli d. J. sollen die 2019 er Primeur BORDEAUX Degustationen in Düsseldorf, Hamburg, Wiesbaden und München stattfinden! Was für eine freudige Überraschung dachte ich, als mich diese Pressemeldung und Einladung zugleich in München erreichte. Konnte ich doch in den vergangenen Wochen immer wieder Stimmen hören und lesen, die von der Klasse und Größe des Jahrgangs schwärmten. Bedeutende Weinhändler und Journalisten wurden mit den Weinproben aus 2019 zugedeckt, die nur der Coronakrise geschuldet, nicht traditionell vor Ort verkostet werden durften, sondern auf dem Postweg einem kleinen Interessenkreis gesendet wurden. Über drei Jahrzehnte war es ja so geregelt, dass Personen aus aller Welt, die an den Gewächsen aus Bordeaux interessiert waren, gefälligst an den entsprechenden Tagen, das aber nur auf Einladung, auf den Châteaux oder bei den großen Verkostungen zu erscheinen hatten. Was für ein Spektakel, Jahr für Jahr war das ein bisserl wie ein Jahrmarkt der Eitelkeit, denn wer dort gesichtet wurde war in der Szene schon mal geduldet, zum einen weil er die Taschen voller Geld hatte, oder weil er als Kenner anerkannt war, oder weil er als mehr oder weniger bedeutender Schreiberling in der Weinwelt Vertrauen fand.

Die Primeur-Verkostungstage in Bordeaux wurden ausschließlich für Einkäufer, Großhändler und Weinjournalisten abgehalten. Sie waren immer ein Wein-Highlight des Jahres, traf man dort doch Gott und die Welt zu Fachgesprächen und zum Meinungsaustausch. Man erkannte schnell wer in diesem Business was bedeutete und wer was zu sagen hatte, auf wen gehört wurde. Danach wurden, ganz nach den Urteilen einiger Stimmungsbarometer, allen voran Robert Parker mit seinem Wine Advocate, die Preise festgelegt. Auf diesen 2-4 wöchigen Rummel musste erstmals wegen Covid-19 dieses Jahr verzichtet werden. Die angeschlagene Nachfrage und das in die Tiefe sinkende Preisbarometer verlangten eine kluge Entscheidung, trotz der kleinen Erntemengen von 2019 und des sehr guten Jahrgangs, die ein paar Monate vor der neuen Lese (2020)  getroffen werden musste.

So konnte auch ich mal wieder meiner alten Leidenschaft für Bordeaux-Weine folgen und verkostete aus mehr oder weniger jeder Region ein paar ausgezeichnete Weine, viele von ihnen haben mich von der Qualität des Jahrgangs überzeugt, einige restlos begeistert. Einen kleinen Einblick finden Sie hier im Anschluss.

Pessac Leognan Blanc

Mein erster Wein (nicht im Bild) CLOS FLORIDENE, Graves hat mich nicht wie erwartet begeistert, was schade war, ich werde nachverkosten. Dieses Weingut ist mir seit Jahren mit erstklassigen Qualitäten bekannt, ihr Macher Denis Doubordieu war Prof. an der Université in Bordeaux, er lancierte die Maceration pelliculiére. Neben der dezenten Automatik im Duft, präsentierte dieser nahezu reinsortiger Sauvignon Blanc, einen reichen, stoffligen, runden Körper mit erstaunlicher Säure und Frische. Dezente Bitterstoffe mit zarten Holznoten prägen den Nachhall.

Château LARRIVET HAUT-BRION schlug mit seiner sehr feinen Aromatik, der exotisch angehauchten Fruchtnoten und zitrigen Limettentönen, den etwas weniger eleganten Château LATOUR MARTILLAC, der eher in die leicht rustikale Richtung tendiert und nach meiner Meinung deutlich mehr Zeit für seine Entwicklung benötigt.

Pessac Leognan Blanc

DOMAINE de CHEVALIER blanc, vom hohen Sauvignon-Anteil 70% geprägt, opulentes, Apfelaroma mit Akazienhonig. Verhalten im Holz, vollmundig, rund mit leichter Phenolik. Erstaunlich offen, gute Länge.

CLEMENTIN de PAPE CLEMENT blanc, der kleine Bruder von Château PAPE CLEMENT blanc, muss sich in seiner leichteren, weniger stark konzentrierten Art, nicht hinter ihm verstecken. Mich haben die veganen Noten überzeugt, wenn auch ich die ausgeprägte Exotik von Pape Clement vermisse. Im Körper substanzreich mit leichter Bitternote und präsenter Säure. Nicht nur die preisgünstigere Variante.

 Château PAPE CLEMENT blanc, eine Cuvée aus 46% Sauvignon Blanc, 40% Semillon und 14% Sauvignon Gris. Das Bouquet ist zu Beginn verschlossen, öffnet sich dann in eine exotische Richtung von Ananas bis Guaven und Papaya. Eine Schönheit in sich, sanft, rund voller Substanz, zeigt sich erstaunlich reif mit ausgeprägten salzig, mineralischen Nuancen, fest und dicht im athletischen Körper, druckvoll mit langem Nachhall. Da hätte ich mir den Vergleich mit SMITH HAUT LAFITTE gewünscht, der leider nicht mit von der Partie war.

Pessac Leognan rouge

CLEMENTIN de PAPE CLEMENT  Auch hier sehe ich wie bei den Weißen keine so großen Unterschiede in der Qualität. CLEMENTIN hat erstaunlich viel zu bieten.

Château PAPE CLEMENT Schon seine schwarze, dichte Farbe weckt die Neugier, lässt auf viel Aromen schließen. Doch dem ist nicht ganz so, noch wirkt er sehr verschlossen mit seinen Leder, Waldboden, Kakao und Unterholztönen. Hier hat man die eher elegantere Art, fein gestrickte Tannine. Ich vermisse etwas mehr Druck und Länge nach diesem würzigen, tiefdunklen Auftakt.

DOMAINE de CHEVALIER Im Farbbild etwas heller als PC mit deutlich reifen Noten zum Glasrand. Die erste Nase wirkt klassisch würzig mit gegerbtem Leder, Wacholderbeeren, schwarzer Pfeffer. Schoko und Tabak breiten sich retronasal im Gaumen aus. Eine erstaunliche Säure behauptet ihren Platz auf der Zunge, bleibt rassig, frisch und verleiht dem mittkräftigen Stoff Eleganz im Abgang.

Château SMITH HAUT LAFITTE Die nachtschwarze, dichte Schattenmorellen-Farbe weckt alle Aufmerksamkeit meiner Sinne. Blickdicht mit hoher Konzentration im opulenten, hedonistischen Naseneindruck. Cassis, Mon cheri Kirschen, Zimtstangen. Am Gaumen dichte, reife, feinkörnige Tannine mit belebender Frische und Kraft die in einem langen mineralischen Kraftwerk enden. Was für ein Wein!

FORTSETZUNG ST.EMILION GRAND CRU in KÜRZE!